Bald 100 Jahre „Wunder von Jena“

Als die Ingenieure der Firma Carl ZEISS in den 1910er Jahren vom Deutschen Museum den Auftrag erhielten, ein Gerät zu entwerfen, mit dem man das ptolemäische Weltbild vorführen kann, dachten alle Beteiligten zunächst an eine Art „begehbaren Himmelsglobus“. So etwas hatte es bereits ca. 250 Jahre früher in Jena gegeben und auch das hatte neue Maßstäbe gesetzt. Hier ist die Geschichte.

Bekannt ist die Geschichte „Wie alles begann“, die auf den Webseiten der Firma Zeiss erzählt wird und auch die Entwicklungsgeschichte der verschiedenen Modelle von Zeiss-Planetarien, die die Firma selbst wunderbar fortschreibt. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Kultur und Technik“ des Deutschen Museums München kann man weitere Details über das endende Jahrhundert Planetariumsgeschichte nachlesen. Wir möchten daher hier auf die Vorgeschichte im 17. und 18. Jahrhundert fokussieren, denn schon damals brachte ein Professor & Baumeister ein (kleineres) „Wünderchen von Jena“ hervor: den Pancosmus.

Straßenschild "Weigelstraße"

Weigelstraßenschild (kommt man vom zentralen Marktplatz, führt diese Straße zum Zeiss-Planetarium)

Erhard Weigel (1625-1699), ein Mathematiker aus der Oberpfalz, hatte sich seit den 1640er Jahren mit Globen beschäftigt und war bereits seit 1653 Professor an der Universität Jena, als der Herzog von Sachsen-Weimar ihn mit der Bauleitung für das Jenaer Stadtschloss betraute. Auf dessen Dach wurde abschließend ein „viele hundert centner schwerer eiserner Globus“ aufgestellt (siehe Bild unten). Überliefert ist, wie er ausgesehen hat, aber nicht, wie groß er genau war. Aus einer Abbildung des Innengerüsts (Armillarsphäre) des Globus auf dem Stadtschloss kann man schließen, dass der Globus etwa ein Viertel der Schlosshöhe durchmessen haben muss, also etwa 5 m. Zu dieser Abschätzung passt, dass Weigel selbst schreibt, dass „dass auch 50. Personen die Concavität mit jhren Sternen (so natürlich glänzen), zugleich observieren, darin und daraus reiten, springen, tanzen können, der Bewegung unbeschadet“. Wenn ca. 50 Menschen gleichzeitig in der Kugel Platz haben und sich bewegen können (nicht sitzen), sollte die Kugel mindestens 5 m groß sein, eher etwas mehr: Das wäre vergleichbar mit Zeiss-Kleinplanetarien (ZKP) mit Kuppeldurchmessern von 6 bis 8 m. Für eine etwas kleinere Abmessung (3 m wie der Gottorfer Globus) spricht, dass später erwähnt wird, der König von Dänemark hätte nach der Schenkung zwei 3-Meter-Globen besessen. Jedoch: aber wer weiß, wie akkurat diese Behauptung gemeint ist. Zudem könnte es auch sein, dass der Globus, der dem dänischen König aus zwei in einander geschachtelten Kugeln bestand, aber auch das ist umstritten.

Beschrieben wird der Globus von Weigel selbst, dass er:

  • die Sterne bis zur dritten Größe zeigt
  • die Sterne als sternförmige Löcher in einer Eisenkugel modelliert, so dass der Betrachter von innen einen Himmel aus natürlichem Licht sieht
  • an der Kugeloberfläche war von innen eine Armillarsphäre angebracht war, so dass man auf der Ekliptik die Planeten nach ihrer tatsächlichen Position anstecken konnte.
  • im Inneren befand sich ein kleiner Erdglobus mit Relief (eingravierte Landschaften), auf dem allerlei Weiteres dargestellt werden konnte:
    • die „Antipoden“ (Menschen auf der Südhalbkugel) wurden mit kleinen Puppen auf dem Globus dargestellt
    • Wetterphänomene wie Regenbögen, Wolken, Regen, Reif, und Wind war simulierbar (getestet, funktionierte)
    • Blitz und Donner (unsicher, ob das erprobt war)
    • Schnee und Hagel wollte man darstellen, hatte es aber nie erprobt
    • eine Uhr und ein Kompass auf dem Erdglobus

Da der Globus leider zu schwer fürs Stadtschloss war, stand er nur etwa 2 Jahre auf dessen Dach und musste dann abgebaut werden. Auf einem zeitgenössischen Stich ist er aber dargestellt, offenbar im Bau, denn der Stich zeigt nur die (innere) Armillarsphäre. Erhard Weigel hat diesen Globus bei einer Skandinavienreise am 4. Oktober 1696 dem dänischen König Christian V. geschenkt und sein Verbleib ist hernach unklar – jedenfalls nicht erhalten.

Die Jenaer Erhard-Weigel-Gesellschaft bemüht sich seit geraumer Zeit um eine Rekonstruktion.

historische Abbildung des Weigel-Globus-Gerüsts

historische Abbildung (1674) des Weigel-Globus-Gerüsts (aus: Kratochwil 2011); Kupferstich von Nicolas Häublein, verlegt bei Christoph Enoch Buchta (Jena)

Mehr lesen:

  • Kratochwil, Stefan (2011): Der „Pancosmos“ von Erhard Weigel, Der Globusfreund, 57/58, 11-22 (auf JSTOR)

 

Beitrag verfasst von Susanne M Hoffmann