Anlässlich des Starts der Centennial Celebrations des (Jenaer) Projektionsplanetariums startete im Oktober 2023 ein gutes Jahr der Feierlichkeiten überall auf der Welt. In meinem Blog bei den SciLogs des Spektrum-Verlags habe ich im Oktober und November 2023 mit einer größeren Breitenwirkung über die Aktivitäten unseres Hauses und Vorläufer-Modelle des Projektionsplanetariums berichtet. Der Kollege Meinl hatte im Dezember hier eine prächtige Ergänzung zum Weigelschen Pancosmus geschrieben, die einige der populären Irrtümer in ein neues Licht rückt.
Jetzt möchte ich von meinem akademischen Gastaufenthalt in China einen weiteren Nachtrag für unsere virtuelle Sammlung von Vorläufern unseres schönen Hauses liefern: ein begehbarer chinesischer Himmelsglobus (mit Löchern) aus dem Jahr 1280 – also 640 Jahre vor dem „Wunder von Jena“:
China (1280)
Dieser Globus wurde von dem Baumeister Guo Shoujing (1231 – 1316 CE) der Yuan-Dynastie entworfen und gebaut und gestaltet sich als ein Globus, in dem der Beobachter auf einer kleinen Plattform steht. Die Sterne sind als Löcher in der Globuswand modelliert, so dass – wie beim Weigel-Globus – das Tageslicht den Sternhimmel malt.
Uns liegt eine Fachpublikation (1988) zum Thema von den chinesischen Astronomiehistorikern XU Shen-tao und SUN Xiaochun in englischer Sprache liegt vor.
Im alten Observatorium Peking, das überwiegend für die Instrumente der Frühen Neuzeit (also der Jesuiten im 17. und 18. Jh.) bekannt ist, befindet sich in der Freilicht-Ausstellung auch dieser historische Globus. Er wurde gebaut, bevor (oder etwa als) Marco Polo als erster Europäer in China die Kultur dokumentierte und das detaillierte Wissen über die ostasiatische Geographie und andere Wissenschaften nach Europa brachte.
Auch dieser Globus soll durch einen Wasserantrieb drehbar gewesen sein, was zeigt, dass diese Idee sicher auch schon von anderen Menschen umgesetzt worden ist, bevor die Europäer des Barock einen Faible für technische Spielzeuge entwickelten.
Weiterer Riesenglobus in der historischen Sternwarte Peking
Das chinesische “Planetarium” von 1280 ist auch sicher nicht der letzte Meilenstein in der Entwicklung der Astronomie in China. Auf dem Dach des Gebäudes in der alten Stadtmauer von Peking, also wo die Astronomen der Neuzeit ihre Beobachtungen anstellten, gibt es nicht nur von Jesuiten inspirierte Instrumente der Positionsastronomie – einen äquatoriale und eine ekliptikale Armillarsphäre, einen Riesensextanten, horizontale Quadranten etc. – sondern auch einen Riesenglobus, auf dem eindeutig die chinesischen Sternbilder verzeichnet sind. Er datiert relativ spät (um 1780) und zeigt daher einen Stand, als die chinesische Sternkarte bereits von den europäischen Gelehrten im Austausch beeinflusst worden war. Allerdings ist in den Schriften bezeugt, dass dieser Globus auch präjesuitische Vorläufer hatte.
Dieser Globus ist nicht begehbar, sondern stellt dem Betrachter von außen den Sternhimmel dar: deutlich erkennbar sind alle Sterne des chinesischen „antiken“ Sternkatalogs, der deutlich mehr schwache Sterne enthält als der ptolemäische Sternkatalog (aus dem sich die europäische Tradition ableitet).
Beitrag von Dr. Dr. Susanne M Hoffmann
(Astronomin, Historikerin und Planetarierin an der Universität Jena)